Ein Mann mit Brille in festlicher Uniform mit vielen Orden in einem Raum voller Gemälde, Alexander Vindman hat im ersten Amtsenthebungsverfahren gegen Trump ausgesagt
Lt. Col. Alexander Vindman bei den Anhörungen zum Amtsenthebungsverfahren vor dem Repräsentantenhaus am 19. November 2019 in Washington, DC | Foto: Melina Mara / The Washington Post via Getty Images
Politik

Dieser mächtige US-Militär sagt: Trump ist Schuld an Russlands Krieg

"Es liegt an Trumps Korruption, dass die Ukraine schlechter vorbereitet ist", sagt der ehemalige Oberstleutnant Alexander Vindman.
Cameron Joseph
Washington, US
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Alexander Vindman wurde in Kiew geboren. Als er drei Jahre alt war, wanderte seine Familie in die USA aus, wo Vindman später eine Karriere bei der US-Armee einschlug. Als Oberstleutnant war er von 2018 bis 2020 Direktor für europäische Angelegenheiten im Nationalen Sicherheitsrat der Trump-Regierung. In dieser Position hörte er auch 2019 das Telefonat mit, in dem Donald Trump vom ukrainischen Präsidenten Wlodomyr Selenskyj einen "Gefallen" einforderte. Um weitere Unterstützung von den USA zu unterhalten, solle die Ukraine schmutzige Wäsche über Joe Biden liefern.

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In dem darauffolgenden Amtsenthebungsverfahren trat Vindman als Hauptzeuge auf und wurde 2020 nach dem Freispruch Trumps entlassen. Wir haben mit dem früheren Oberstleutnant darüber gesprochen, was Trumps Ukrainepolitik mit dem heutigen Krieg zu tun hat.


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VICE: Für alle, die sich nicht mehr im Detail an Trumps erstes Amtsenthebungsverfahren erinnern können: Können Sie kurz erklären, was Sie im Juli 2019 in dem Gespräch zwischen Präsident Trump und seinem Kollegen Selenskyj gehört haben?
Alexander Vindman:
Ich koordinierte damals eine Strategie zur Unterstützung der Ukraine. Selenskyj hatte gerade mit dem Versprechen die Wahl gewonnen, das Land weiter in den Westen zu integrieren. Der ganze Regierungsapparat der USA fand es hinsichtlich der Bedrohung durch Russland passend, in die Beziehung zur Ukraine zu investieren. 

Das kam auch nicht aus dem Nichts. Es war das Ergebnis einer Strategie der Nationalen Sicherheit, die Donald Trump persönlich 2017 unterschrieben hatte. Ich hatte diesen Vorgaben entsprechend mehrere Pläne für die Unterstützung der Ukraine zusammengestellt.

Die einzige Personen, die haderten, war Donald Trump und seine engsten Untergebenen. 

Es gab sonderbare Nachfragen zur Sicherheitsunterstützung – eben jener Hilfe, die sich gerade als entscheidend für die Streitkräfte der Ukraine erweist. Diese Sicherheitsunterstützung wurde schließlich gestoppt.

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Das gipfelte dann in diesem Telefonat, in dem der damalige US-Präsident versuchte, Präsident Selenskyj zu erpressen. Für die Unterstützung der Ukraine forderte er im Gegenzug eine Untersuchung über Joe Biden.

Hat Trumps Forderung nach einer Gegenleistung Wladimir Putin ermutigt?
Keine Frage. Angesichts von Trumps Haltung gegenüber der Ukraine dürfte Putin davon ausgegangen sein, dass er in einer zweiten Amtszeit von Trump einfach hätte dort einmarschieren können, dass die NATO dann potenziell zerstört gewesen wäre und er die Ukraine auf einem Silbertablett serviert bekommen hätte.

Aber so ist es dann nicht gekommen. Stattdessen hat die Mehrheit der US-Bevölkerung Trump abgelehnt und Biden die Wahl gewonnen. Also versuchte der frühere Präsident, einen Coup anzustacheln, die Lager noch weiter in den Extremismus zu drängen und die Vereinigten Staaten zu schwächen. 

Für Menschen, die die Entwicklung nicht so verfolgen, mag das weit hergeholt klingen. Für die hat das vielleicht alles nur mit Biden zu tun. Aber schauen Sie sich an, wann die russische Aufrüstung begann. Das war im Frühling 2021, nur wenige Wochen nach dem Sturm auf das Kapitol am 6. Januar. Donald Trump setzte sich nach der Wahl nicht still zur Ruhe. Er verbreitete weiter diese große Lüge und säte Zwietracht. Putin sah darin eine Chance.

Diese Entwicklung läuft seit 20 Jahren. Aber es ging nur langsam voran, bis die Trump-Administration kam, dann gab es einen Sprung nach vorne.

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Als Präsident Biden an die Macht kam, gab es diese ganzen Angriffsflächen und Gelegenheiten. Putin sieht eine abgelenkte und geschwächte Supermacht, die ihren Blick weiter in die Ferne auf China gerichtet hat.

Man hätte manche Dinge anders machen können, als sich die Lage verschärft hat. Jetzt finden wir uns in einer anderen Welt – einer, die wir seit Generationen nicht mehr erlebt haben.

Wäre Putin auch einmarschiert, wenn Trump nicht signalisiert hätte, dass ihm die Ukraine ziemlich egal ist?
Trump ist das Megaphon, aber es ist Fox-News-Moderator Tucker Carlson, der russische Standpunkte vertritt. Es ist Trumps früherer Außenminister Mike Pompeo, der Putin zujubelt. Es sind diese Leute, die behaupten, dass nicht nur ein Riss durch die amerikanische Öffentlichkeit geht, sondern auch durch die Elite. Diese feste Entschlossenheit der alten Republikanischen Partei, eine starke Haltung zur nationalen Sicherheit zu vertreten, ist nicht mehr da.

Diese Menschen haben Blut an ihren Händen. Wenn sie nämlich nicht gegen Amerikas Interessen handeln würden, indem sie unserem aggressivsten Feind Beihilfe leisten, wäre es vielleicht nicht so weit gekommen.

Trump hat die Militärhilfe für die Ukraine hinausgezögert, um Selenskyj zu erpressen. Hatte das einen Einfluss darauf, wie gut die Ukraine auf eine Invasion vorbereitet ist?
Auf jeden Fall. Er hat eine potenziell sehr solide Beziehung beendet. Die komplette US-Regierung stand dahinter, der Ukraine dabei zu helfen, sich weiter in Richtung Westen zu orientieren. Die Grundlagen dafür waren ökonomisch. Sie hätten aber auch politisch sein sollen, um der Regierung in Kiew bei ihren Reformvorhaben und dem Kampf gegen Korruption zu helfen. Kooperation im Sicherheitsbereich war ebenfalls geplant.

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Wir haben diese ganze Zeit verloren, in der die Ukraine sich hätte festigen können. Sie hätte sich vorbereiten und unattraktiv für eine Invasion machen können. Es liegt an Trumps Korruption, dass die Ukraine schlechter vorbereitet ist. 

Hätte Biden nach seiner Amtseinführung noch alles verhindern können?
Ja, das hätte er. Sie haben bestimmte Optionen vom Tisch genommen. Putin ist ein Meister darin, Hoffnungen und Ängste auszunutzen. Und das Säbelrasseln wegen einer gegenseitigen Konfrontation war ein Trugbild. Die Russen wollen keinen Krieg mit uns. Sie wollen keinen Atomkrieg. Sie wollen auch keinen konventionellen Krieg.

Wir haben in gewisser Weise unsere Nerven verloren. Im Kalten Krieg waren wir darin geübt, bei sowjetischen Provokationen nicht mit der Wimper zu zucken. Das haben wir verlernt. Wir stehen einem Gegner gegenüber, der noch immer in dieser Welt lebt. Er ist in dieser Welt groß geworden und benutzt die Werkzeuge dieser Welt. Wir sind darauf nicht vorbereitet.

Wird Putin bei der Ukraine haltmachen?
Es hat in der Vergangenheit schon andere Konflikte gegeben, aber keiner davon war eine derartig massive Militäroffensive in Europa. Es ist wirklich die geballte Macht der USA und NATO, die für einen gewissen Frieden auf der Welt sorgen. Präsident Putins Rhetorik suggeriert, dass sein Blick in Richtung Moldawien, Georgien und Finnland wandert.

Ich glaube aber, die NATO-Partner sind eine sehr große Hürde. Ihre Verteidigungsarchitektur wird standhaft bleiben. 

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Wann würden US- oder NATO-Truppen vor Ort zum Einsatz kommen und sogar kämpfen?
Eine Sache, die mich beunruhigt, ist das Ausmaß. Wir haben jetzt nur die ersten 36 Stunden gesehen. Wir sollten uns daran erinnern, dass unser Engagement auf dem Balkan in den 90ern sehr zögerlich war. Es war die menschliche Katastrophe, die sich dort abspielte, die uns schließlich dazu brachte, dort aktiv zu werden. Ich halte das für unwahrscheinlich, aber es könnte ein bestimmter Vorfall oder eine Fehlkalkulation sein, die uns dazu bringt, uns zu beteiligen. Das könnte auch ein Cyberangriff sein, der über die Ukraine hinaus auch Europa und die USA betrifft.

Es gibt hier verschiedene mögliche Szenarien, die gefährlich sind. Auch deswegen hätten wir vorher mehr tun müssen. 

Wie sollten die USA die Ukraine in Zukunft militärisch unterstützen – und wird das überhaupt geschehen?
Militärisch, mit Informationen, diplomatisch und wirtschaftlich. Es ist eine große Anstrengung, Russland zu isolieren und im Bündnis und bei unseren Partnern einen Konsens herzustellen. Es ist auch ein große Anstrengung, China dazu zu bringen, hier als aufstrebende Supermacht eine konstruktive Rolle zu spielen. 

Öffnen wir den Geldhahn des extrem wohlhabenden Westens. Warum reden wir über geringe Summen von nur einer Milliarde US-Dollar? Wir sollten über den Wiederaufbau der Ukraine sprechen.

Was das Militär angeht, ist es gerade besonders gefährlich. Vor zwei Tagen gab es noch eine Menge, was wir hätten tun können, sogar mit Truppen vor Ort in einer humanitären Funktion. Das geht jetzt nicht mehr.

Es sollte eine neue Partnerschaft zwischen der NATO und der Ukraine geben, um sie in durch diese existentielle Krise hindurch zu begleiten. Wir sollten ihnen Material leihen, sie mit allem versorgen, was sie brauchen, um sich selbst zu verteidigen – so wie wir das mit der Sowjetunion gegen die Nazis getan haben.

Was bereitet Ihnen die meiste Angst über die Zukunft?
Eine mögliche Konfrontation mit Russland ist gerade unwahrscheinlich. Aber wenn wir hier nicht die Stellung halten, steigt die Wahrscheinlichkeit einer schweren Konfrontation in der Zukunft.

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