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London

Bob Dylan ist nicht nur Nobelpreisgewinner, sondern auch gefragter Maler

Dylan hält in seiner neuen Ausstellung Szenen aus dem amerikanischen Alltag fest—fernab vom Mainstream.
Endless Highway 1, 2015–2016. Acryl auf Leinwand, 182.9 x 320 cm. Image courtesy of the artist and Halcyon Gallery

Dass Bob Dylan ein außergewöhnlicher Künstler ist, braucht man niemandem erklären.  Der Singer-Songwriter wurde nicht nur kürzlich mit dem Literaturnobelpreis geehrt, er verleiht seiner Kreativität auch als Maler und Bildhauer Ausdruck. Wie vielseitig Dylans Kunst dabei ist, stellt die neue Ausstellung The Beaten Path mit Zeichnungen, Acryl- und Wasserfarbenmalereien sowie Schmiedearbeiten des Künstlers unter Beweis. Sie ist derzeit in Londons Halcyon Gallery zu sehen.

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Die Ausstellung präsentiert typische Szenen des amerikanischen Lebens, die nicht besser zu Bob Dylan passen könnten. Mehrere hundert Arbeiten auf drei Stockwerken bilden eine intime Erkundungstour durch die USA: von den Millionenmetropolen bis in die Kleinstädten im Landesinneren, über  Landstraßen, in Motels—stets abseits des Mainstreams. Es sind gewöhnliche Orte, wie sie jeder aus dem Bus heraus oder auf dem Nachhauseweg sehen könnte. Dazwischen finden sich geschmiedete Eisenskulpturen und Tore aus Dylans Studio Black Buffalo Ironworks. Der aus Hibbing in Minnesota stammende Künstler arbeitet laut eigenen Angaben  bereits sein ganzes Leben lang mit Eisen. Genau wie die Gemälde spiegeln die Skulpturen Eindrücke wider, die er auf seinen Reisen durch die USA gewonnen hat.

Bob Dylan. The Beaten Path. Halcyon Gallery. Florida Country, 2015–2016. Acryl auf Leinwand, 81.3 x 121.9 cm. Bild mit freundlicher Genehmigung des Künstlers und der Halcyon Gallery

„Für die Ausstellung wollte ich Bilder schaffen, die weder von mir selbst noch jemand anderem falsch interpretiert oder missverstanden werden können“, erklärt Dylan in dem Essay, den er für die Ausstellung verfasst hat. „Die Halcyon Gallery brauchte nicht lange, um mich von der Idee überzeugen, amerikanische Szenen für eine Ausstellung einzufangen. Nachdem ein paar Details geklärt waren, verinnerlichte ich das Konzept und fing an, es umzusetzen. Das Grundthema dieser Werke ist die amerikanische Landschaft—so wie man sie eben authentisch wahrnimmt, wenn man quer durchs Land fährt: fernab vom Mainstream, auf den Nebenstraßen, frei von Zwängen.“

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 Donut Shop, 2015–2016. Acryl auf Leinwand, 83.8 x 121.9 cm. Bild mit freundlicher Genehmigung des Künstlers und der Halcyon Gallery

Die Bilder wurden gleichzeitig liebevoll und doch sachlich gemalt—naturalistisch, wie Dylan es selbst bezeichnet. Er vergleicht seinen Stil außerdem mit dem von Wassily Kandinsky und Georges Rouault. „Ich wollte die Dinge möglichst einfach halten und nur das behandeln, was man auf den ersten Blick sehen kann“, schreibt er. „Diese Bilder sind realistische Momentaufnahmen—archaisch, sehr statisch und wirken doch gleichzeitig lebendig. Sie stehen im Widerspruch zur modernen Welt. Diesen Widerspruch habe ich geschaffen.”

 Classic Car Show, Cleveland, Ohio, 2015–2016. Acryl auf Leinwand, 71.1 x 121.9 cm. Bild mit freundlicher Genehmigung des Künstlers und der Halcyon Gallery

Durch diesen Widerspruch entstehen zeitgenössische Szenen, die jedoch über die Gegenwart hinaus reichen und ein zeitloses Bild der USA zeichnen. Denn die moderne Welt mit ihren sterilen Firmengebäuden, Hochhäusern und Massenmedien gibt Dylan nichts; sie bedeutet ihm nichts. Darum ignoriert er diese Aspekte und konzentriert sich stattdessen auf klassische Elemente wie einen Hotdog-Stand oder einen Donut-Laden. „Ich habe mich auf traditionelle Objekte beschränkt und dabei nichts als belanglos oder kitschig abgetan“, erklärt Dylan. „Halsbrecherische Kurven, geschwungene Stützpfeiler, spitze Kirchtürme, Rundbögen und Wellen.“

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Dylan gibt jährlich ungefähr 100 Shows in den USA. Diese niemals endende Tour führt ihn auch an verlassenen Industriegebieten, texanischen Friedhöfen, kleinen Bauernhöfen und vergessenen Kleinstädten vorbei. „Ich glaube, dass niemand so viel durch die USA gereist ist, wie Dylan“, sinniert der Marketing Manager der Galerie. „In seinem Tourbus wurde er selbst über die Jahre zu einem Teil der amerikanischen Landschaft. Indem er genau das malt, was er sieht, nimmt er den Betrachter mit auf seine Reise.“

 Flat Top Mt. Diner, Tennessee, 2015–2016. Acryl auf Leinwand, 76.2 x 121.9 cm. Bild mit freundlicher Genehmigung des Künstlers und der Halcyon Gallery

Dylan erklärt, dass er manchmal die Camera obscura-Methode zur Hilfe nahm, um einige der Details einzufangen, denen er per Hand nicht gerecht werden konnte. Dazu benutzte er manchmal einen Fotoapparat oder auch einen alten Röhrenfernseher aus dem Trödelladen, um durch diese Objekte die Welt zu betrachten. „Meist brauchte ich allerdings einfach nur eine gerade Linie, einen Zirkel und eine Zeichenschiene. Ich habe mir jedes Bild einzeln vorgenommen, ohne die Traditionen außer Acht zu lassen oder mich durch Konventionen oder ästhetische Doktrinen einzuengen“, fügt Dylan hinzu.

 Theater, Downtown LA, 2015–2016. Acryl auf Leinwand, 139.7 x 213.4 cm. Bild mit freundlicher Genehmigung des Künstlers und der Halcyon Gallery

Einige Bilder zeigen Szenen aus seinem Haus in New Orleans. Einige betrachten die Manhattan Bridge in New York City durch die Perspektive des Malers. Andere Bilder zeigen Straßenszenen, die Dylan beim Blick aus dem Hotelzimmer erhascht hat. Es gibt ein Bild eines BBQ-Schuppens namens Woody’s, zweifelsohne eine Hommage an Dylan’s musikalisches Vorbild Woody Guthrie. Außerdem sieht man Aufnahmen aus Alabama, Eisenbahnschienen und Oldtimer.

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Manhattan Bridge, Downtown New York, 2015–2016. Wasserfarben auf Papier, 89.2 x 121.3 cm. Bild mit freundlicher Genehmigung des Künstlers und der Halcyon Gallery

„Ich habe bewusst versucht, die Konsumkultur und Popkultur außen vor zu lassen. Dazu zählen die Massenmedien, Werbegrafiken, Prominente, Warenverpackungen, Werbetafeln, Comicstreifen und Werbeanzeigen“, schließt Dylan seinen Essay ab. „Die Werke aus The Beaten Path haben andere Inhalte als die alltäglichen Bilder der Konsumkultur. Nichts in diesen Werken wirkt so, als ob es durch Sigmund Freuds Theorien beeinflusst wurde oder als ob sie auf irgendwelchen Traumbildern basieren. Es gibt keine Fantasiewelten, keinen religiösen Mystizismus oder doppeldeutige Inhalte. Der Betrachter muss sich bei keinem der Bilder fragen, ob es sich um ein reales Objekt oder ein Fantasiegebilde handelt. Wenn der Betrachter den Ort besucht, von dem das Bild stammt, würde er oder sie genau dasselbe beobachten. Diese Gemeinsamkeit verbindet uns alle.“

 Abandoned Motel, Eureka, 2015–2016. Wasserfarben auf Papier, 91.8 x 65.4 cm. Bild mit freundlicher Genehmigung des Künstlers und der Halcyon Gallery

Bob Dylans The Beaten Path ist bis zum 11. Dezember 2016 in der Londoner Halcyon Gallery zu sehen. Dylans gesamter Essay über die Ausstellung ist hier verfügbar. Weitere Informationen findet ihr außerdem auf den Webseiten von Bob Dylan und der Halcyon Gallery.