Mit diesem Löffel soll alles besser schmecken

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Wissenschaft

Mit diesem Löffel soll alles besser schmecken

Durch die besondere Form wird Essen wieder zu einer sinnlichen Erfahrung, als würde man es von den Fingern schlecken.

Alle Fotos mit freundlicher Genehmigung von Michel/Fabian und Joe SarahDie Zeiten, in denen wir unser Essen nur mit Messer, Gabel oder Löffel auf zivilisierte Weise in unseren Mund bewegen konnten, sind lange vorbei: Dank technologischer Fortschritte und Forschungsarbeiten zu unserem Essverhalten gibt es jetzt elektrische Gabeln, die unser Essen salziger machen, und batteriebetriebene Löffel, die deine Geschmacksnerven so verwirren, dass du Gemüse für Schokolade hältst.

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Die neueste verrückte Erfindung in Sachen Besteck stammt von Charles Michel, Koch und Experimentalpsychologe an der Oxford University, und Andreas Fabian, Designer und Dozent an der Buckinghamshire New University. Die beiden haben einen Löffel entwickelt, mit dem – so sagen sie – jedes Essen besser schmeckt.

Wie das funktioniert? Der Löffel hat die Form eines Fingers.

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Der „Goûte"-Löffel

Dadurch dass der Löffel einem das Gefühl vermittelt, das Essen direkt von den Fingern zu schlecken (ja, nur so isst man Nutella aus dem Glas), schmeckt es besser und man genießt es mehr. Wir haben mit Charles Michel gesprochen, um mehr über den „Goûte"-Löffel, den die beiden Forscher unter ihrer Marke Michel/Fabian verkaufen, herauszufinden.

ARTIKEL: Essen schmeckt mit schwerem Besteck besser

MUNCHIES: Hi Charles. Wie seid ihr auf die Idee zu diesem Löffel gekommen? Charles Michel: Vor gut zweieinhalb Jahren haben Andreas und ich angefangen, zusammenzuarbeiten. Ich bin eigentlich Koch, habe aber schon seit Längerem nicht mehr in der Küche gearbeitet und forsche seit einigen Jahren in der Psychologie. Als ich durch meine Forschung Andreas kennengelernt habe, hat es quasi sofort zwischen uns intellektuell gefunkt. Der Löffel war anfangs eher ein Experiment. Wir wollten die Art und Weise, wie wir essen, und konventionelle Essensritualehinterfragen.

Den Prototypen des Löffels haben wir dann mit unserer MarkeMichel/Fabian weiterentwickelt. Unser Mitbegründer und jetziger CEO Daniel Ospina hat damals im The Fat Duck mit Heston Blumenthal an Innovationen und neuen Designs gearbeitet.Wir haben uns zusammengetan und den Löffel auf den Markt gebracht.

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Wieso wolltet ihr einen geschmacksverbessernden Löffel machen? Besteck ist heutzutage ziemlich langweilig. Neben Besteck steckt man sich ansonsten nur noch die Zahnbürste in den Mund, und die ist etwas sehr Persönliches, das man nicht mit jedem anderem teilt. Aber die Löffel und Gabeln in einem Restaurant hatten vorher schon Hunderte anderer Menschen im Mund. Das finden wir aus irgendeinem Grund normal.

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Vor Kurzem haben wir außerdem ein Paper veröffentlicht, das zeigt, wie das Gewicht des Bestecks den Geschmack von Essen beeinflusst. Dieser Bereich ist allerdings noch wenig erforscht. Das könnte einen großen Einfluss darauf haben, wie man Menschen dazu bringt, bewusster, langsamer und weniger zu essen. Wir können verändern, wie Menschen das Essen erleben.

Jeden Tag essen wir und das mehrmals. Ich glaube, dass Menschen mehr darauf achten, wie sie essen, wann sie essen, was sie essen und woher ihr Essen kommt. Und über die Utensilien, mit denen wir mit Essen interagieren, muss man auch nachdenken. Auch in diesem Bereich gibt es nur wenig Forschung. Bei Besteck wird viel am Design gearbeitet, aber nur aus ästhetischen Gründen.

Warum hat der Löffel die Form eines Fingers? Unserer Meinung nach ist die Hand das beste Werkzeug, um zu essen. Das Essen mit den Händen und Fingern ist eine der wohl befriedigendsten Erfahrungen. Sogar den Teller abzulecken genießen wir voll und ganz. Aus irgendeinem Grund haben wir im letzten Jahrhundert durch Tischmanieren und Etikette die Beziehung zu genussvollem Essenverloren. Wir wollen, dass die Menschen Essen wieder sinnlich erleben, aber in einer eleganten Art und Weise. Der „Goûte"-Löffel ist, wenn man so will, eine Verlängerung des Fingers.

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Das Material spielt auch eine große Rolle, Glas ist sehr sinnlich. Es fühlt sich sanft auf den Lippen und der Zunge an.

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Wie waren die Ergebnisse, als ihr den Löffel getestet habt? Die Leute haben viel bewusster gegessen. Bei einigen Tests haben die Teilnehmer das Essen auch als dickflüssigerwahrgenommen. Warum, wissen wir nicht genau, vielleicht weil man aufmerksamer isst. Selbst wenn man den Leuten nicht erklärt, wie sie den Löffel benutzen sollen, wissen sie es sofort instinktiv und gehen wie ein Kind mit viel Freude an die Sache ran.

Wir brauchen natürlich wissenschaftliche Beweise, deshalb arbeiten wir gerade ein Forschungsprojekt, das von der Buckinghamshire New University, wo Andreas arbeitet, und dem Institut Paul Bocuse, meiner alten Schule in Frankreich, finanziert wird. In diesem Projekt wollen wir herausfinden, wie der „Goûte" das Essverhalten und den Genuss der Menschen verändern kann.

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Durch sein Design kann man den Löffel nur für weiche Sachen – Aufstrich, Honig, Joghurt – nehmen. Wollt ihr noch mehr Modelle entwickeln? Definitiv. Das ist nur der erste, den wir auf den Markt gebracht haben. Gerade arbeiten wir noch an verschiedenen anderen Prototypen, die wir aber noch nicht herausgebracht haben. Wir wollen die Welt des Bestecks auf den Kopf stellen, Besteck soll spielerischer und interaktiver werden. Wir arbeiten an ein paar Ideen.

Benutzt du den Löffel selbst regelmäßig? Ja, auf jeden Fall. Zu Hause benutze ich ihn als Honiglöffel. Bei einem Standard-Honiglöffel aus Holz geht durch das Design viel verloren, weil sich der Honig in den Rillen festsetzt. So oft ich kann, esse ich mit den Händen, aber für meinen Joghurt am Morgen nehme ich den „Goûte". Ich habe auch immer einen dabei. Die Leute halten mich schon für verrückt, weil ich meine eigenen Modelle mit mir rumschleppe.

Vielen Dank für das Gespräch.