Anish Kapoors künstlerisches Monopol auf Vantablack könnte Leben retten
Ein Tropfen Wasser auf einer mit Vantablack behandelten Oberfläche. Bild: Surrey NanoSystems

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Anish Kapoor

Anish Kapoors künstlerisches Monopol auf Vantablack könnte Leben retten

Vantablack—eine Farbe, die Künstlern zum Verhängnis werden könnte.

Erst letzte Woche ist bekannt geworden, dass sich der britische Bildhauer Anish Kapoor die alleinigen Nutzungsrechte in der Kunst für das bisher schwärzeste vom Menschen erschaffene Schwarz  sichern konnte. Die Monopolisierung Vantablacks, einer aus Kohlenstoffnanoröhrchen bestehenden Substanz, die 99,96 Prozent des Lichts absorbiert, hat in der gesamten Medienwelt großes Aufsehen erregt. Die Farbe ist aber nicht die erste, die im Laufe der Geschichte für heftige Diskussionen gesorgt hat. Vom International Klein Blue über das Grün, das wahrscheinlich zu Napoleons Tod beigetragen hat, bis hin zu Farben, die unser Essen ansprechender wirken lassen sollen, wird die Nutzung künstlicher Farbstoffe immer umstritten bleiben.

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Wie schon andere Künstler zuvor, wie etwa Yves Klein, der 1960 sein International Klein Blue entwickelte, verkündete Kapoor, dass Vantablack im künstlerischen Bereich zukünftig ausschließlich von ihm genutzt werden dürfe und zog damit den Zorn einiger Kollegen auf sich.

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Yves Klein, Untitled Blue Monochrome (1960). Bild: Wikiart

International Klein Blue ist eine Farbe, Vantablack hingegen besteht aus mikroskopisch feinen Kohlenstoffnanoröhrchen, die auf Oberflächen angewendet werden können. Als Abwandlung der ursprünglichen Form kann Vantablack S-VIS sogar auf Oberflächen gesprüht werden. Theoretisch könnte das neue Material in der Kunst also vielfältige Anwendung finden, doch laut der FAQ-Seite von Surrey NanoSystems, das Vantablack entwickelt hat, ist es „aufgrund der Herstellungsart generell für die Nutzung in der Kunst nicht geeignet.“

Zudem ist es möglicherweise gesundheitsschädlich. Die Kohlenstoffnanoröhrchen können sich lösen und Augen oder Atemwege irritieren. Die ursprüngliche Version von Vantablack wurde ausschließlich auf Oberflächen mit einem Schmelzpunkt von mehr als 550 Grad Celsius aufgetragen, demnach wären alle weniger hitzebeständigen Oberflächen nach der Anwendung von Vantablack einfach geschmolzen. Laut dem Globalen Harmonisierten System zur Klassifizierung und Kennzeichnung von Chemikalien (GHS) besitzt die Substanz eine „spezifische Zielorgan-Toxizität—bei einmaliger Exposition“, was bedeutet, dass sie „nach Kontakt nicht-tödlichen, aber reversiblen oder irreversiblen Schaden spezifischer Organe verursachen kann“. Obwohl das Produkt noch nicht einmal vollständig getestet wurde, wurden dafür schon mehrere Warnungen ausgesprochen.

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Eine Annäherung an Scheeles Grün. Bild: knowledgenuts.com

Im Vergleich zu allerlei anderen Farben, die im Verlauf der Geschichte extrem gefragt gewesen sind, ist Vantablack dem Wissen seiner Schöpfer nach nicht krebserregend. So soll zum Beispiel Napoleon an dem sogenannten Scheelen Grün gestorben sein. Das im späten 17. Jahrhundert entwickelte Pigment mit der chemischen Bezeichnung Kupfer-(II)-arsenit war einst eine in vielen Haushalten beliebte Farbe. Das Pigment, das seinen Namen dem Chemiker Carl Wilhelm Scheele verdankt, setzte jedoch in Verbindung mit Wasser oder Feuchtigkeit Arsen frei. Angeblich soll die Wand in Napoleons Bad mit einer Tapete im Farbton Scheeles Grün ausgestattet gewesen sein. Dies würde die Theorien bekräftigen, denen nach der hohe Arsen-Gehalt in Napoleons Haaren beweist, dass die Farbe ihn getötet oder zumindest seinen tödlichen Magenkrebs verursacht hat.

Trotz solcher und vieler ähnlicher Horrorgeschichten blieben Tapeten in Scheeles Grün bis ins 19. Jahrhundert hinein sehr beliebt, und die Hersteller taten natürlich alles, um die „Gerüchte“ über negative Auswirkungen des Pigments zu dementieren.

Eine weitere Farbe, die trotz ihrer tödlichen Eigenschaften sogar bis vor kurzem sowohl von Malern als auch in Haushalten noch benutzt wurde, ist die weiße Bleifarbe. Von der Kolonialzeit bis ins frühe 20. Jahrhundert war Bleiweiß aufgrund seiner guten Deckkraft das begehrteste weiße Pigment. Obwohl Bleiweiß schon im alten Ägypten als Gift mit mörderischer Wirkung genutzt wurde, priesen die Verkäufer das Mittel ganz dreist weiterhin als bestes Weiß auf dem Markt an.

Selbst einige der berühmtesten Persönlichkeiten der Kunstgeschichte sollen an Bleivergiftungen durch Farben gestorben sein. 2010 wurde in Caravaggios Knochen ein erhöhter Bleigehalt nachgewiesen, was die Wissenschaftler darauf brachte, dass eine Bleivergiftung zu seinem Tod beigetragen hatte. Auch Michelangelo und Goya soll Bleiweiß zum Verhängnis geworden sein.

Bis heute werden künstliche Farbstoffe verwendet, die negative Auswirkungen auf unsere Gesundheit haben. 2010 wurde durch das Center for Science in the Public Interest (CSPI) der Bericht „Food Dyes: A Rainbow of Risk” veröffentlicht. Darin wird das karzinogene Potential von Lebensmittelfarbstoffen wie Citrus Red 2 genau beschrieben. Das Pigment, das benutzt wird, um Orangenschalen zu färben, verursacht bei Mäusen und Ratten zum Beispiel Blasentumore, Yellow 6 bei Tieren Nierentumore.

Man könnte Kapoor dafür verurteilen, dass er anderen Künstlern Vantablack vorenthält, doch eigentlich sollten wir sein Atelier als zweites Forschungslabor betrachten, in dem das künstlerische Potential des Materials untersucht werden kann, und das mit einem Team, das die dafür notwendigen Mittel besitzt. In Anbetracht der tödlichen Geschichte künstlicher Farbstoffe ist es wahrscheinlich sogar gar keine schlechte Idee, Vantablack erst von einer kleineren Gruppe testen zu lassen, bevor es für den öffentlichen Gebrauch freigegeben wird. Es bleibt nur zu hoffen, dass Kapoors Versuche mit der Substanz in Zukunft allen Künstlern eine zugängliche und sichere Nutzung ermöglichen werden.