FYI.

This story is over 5 years old.

Tech

Russische Physiker wollen 100 Jahre alten Traum von Teslas Stromturm umsetzen

Mit elektrostatischer Aufladung der Atmosphäre wollte Tesla Elektrizität kabellos um die Welt schicken. Zwei russische Physiker wollen das unvollendete Experiment in diesem Jahr endlich erfolgreich nachbauen.
Werbefoto des „Magnifiying Transmitter“ in Colorado Springs aus dem Jahr 1899. Bild: Recuerdos de Pandora via FlickR (Ausschitt) | CC BY-SA 2.0

„Hiermit möchte ich bekanntmachen, dass ich, NIKOLA TESLA, Bürger der Vereinigten Staaten, wohnhaft in Manhatten, New York, gewisse neue und nützliche Verbesserungen eines Apparates erfunden habe, mit dem elektrische Energie versendet werden kann." Mit diesen Worten beginnt Nikola Tesla im Dezember 1914 die Patentschrift für einen Turm zur transatlantischen Stromübertragung. Es sollte ein unvollendetes Projekt bleiben.

Anzeige

Fast 100 Jahre später wollen jetzt zwei russische Physiker Teslas Vision, mit Hilfe einer Indiegogo-Kampagne, Wirklichkeit werden lassen. Für ihr Projekt Global Energy Transmission versuchen die Moskauer Brüder Leonid und Sergey Plekhanov insgesamt rund 590.000 Euro zu sammeln.

In ihrem mit Psytrance angetriebenen Projektvideo geben die beiden zu Protokoll, dass sie nach einem ausgiebigen Studium der Patente Teslas überzeugt seien, dass seine Idee umsetzbar sei. Das Konzept könnte beispielsweise genutzt werden, um Solarenergie aus der Sahara an weit entfernte Orte zu verschicken.

Der erste Tesla-Turm dieser Art wurde bereits 1901 vom alten Tesla in Shoreham bei New York gebaut. Mit ihm wollte Tesla telegrafieren, telefonieren und beweisen, dass die kabellose Übertragung von Elektrizität im Prinzip möglich ist.

Häufig wird dabei missverstanden, dass hier die Erde und Atmosphäre selbst elektrostatisch geladen werden sollen und die Elektrizität nicht wie zum Beispiel bei der Mikrowellenübetragung einfach durch die Luft gesendet wird. Die Turmspitze ist nur der sichtbare Teil der Anlange. Die Störung der elektrostatischen Ladung der Erdoberfläche sollte dann in weiter Entfernung mit einem gleichartigen Turm empfangbar sein.

Doch das Experiment fand niemals statt. Teslas Projekt kam wegen chronischer Geldprobleme und ungeeigneter Materialien und Stromstärken nie aus der Bauphase heraus. Im August oder September diesen Jahres wollen nun Leonid und Sergey Plekhanov genau dieses Experiment erstmals durchführen—mit modernen Materialien und, sofern dich die Idee überzeugt, mit deinem Geld.

Anzeige

„Für mich ist das die Chance meine Zeit (und mein Leben) mit etwas zu verbringen das wirklich wichtig ist und der Menschheit etwas Neues bringen kann", schrieb mir Leonid Plekhanov in einer E-Mail. „Das Projekt wurde schon vor 5 Jahren gegründet, und ich werde weiter daran arbeiten, ob die Kampagne erfolgreich ist oder nicht".

Die ersten Komponenten sind bereits gebaut, wie ein Schaltbrett, eine Metallplatte und ein formschöner gelber Regler mit zwei Drehknöpfen. Am Ende soll der Turm 30 Meter hoch sein, 10km Kabel auf einer Spule beherbergen und damit 3 Millionen Volt Spannung zwischen Turmspitze und Erde erzeugen können.

Mit einem schnell wechselnden Spannungsfeld soll eine stehende elektrostatische Welle rund um die Erde erzeugt werden, ohne dass dabei besonders viel Strom fliessen muss. Und wenn ein genau gleich aufgebauter Turm diese Welle dann gewissermassen anzapft, ist dort der Strom empfangen worden und kann genutzt werden.

Das Konzept Teslas fasziniert und begeistert nicht ohne Grund Hobby-Physiker und Technikfans. Auf meine hartnäckige Nachfragen, wie genau das Projekt denn diesmal erfolgreich bewerkstelligt werden soll, ob nicht sehr viel Energie verloren ginge, oder ob die Anlage gar gefährlich sein könnte, antwortete mir Leonid latent genervt:

„Dies ist immer eine schwierige Situation für uns… Ich meine, wenn du sagst [die Stromübertragung sei vielleicht] zu klein, dann erklärt das nichts und echte Wissenschaftler fangen dann an uns die Schuld zu geben. Aber alles korrekt und ausführlich zu erläutern, würde mindestens eine halbe Stunde dauern."

Anzeige

Für Erklärungsversuche zur Realisierung großer Technikutopien und visionärer Wissenschaftskonzepte habe ich aber selbstverständlich immer Zeit, und so konnte ich Leonid überzeugen mir doch noch zwei Detailfragen zu beantworten:

„Elektrostatische Aufladung und Übertragung sind eigentlich nicht ganz die richtigen Begriff. Wir reden hier von Wellen im Wellenleiter zwischen Erde und Ionosphäre. Und in unserem Fall haben wir mit Sender und Empfängerturm zwei schwingende, gekoppelte Stromkreise. In solchen gekoppelten Systemen hängt die Effizienz der Übertragung vom Q-Faktor ab [der beschreibt wie schnell Wellen von allein abebben].
Unsere Simulationen zeigen sehr hohe Q-Faktoren, die Wellen bleiben also leicht erhalten. Das heisst, dass die Effizienz bei mehreren Dutzend Prozent liegen wird. Aber das System ist zu komplex, um adäquat vollständig simuliert zu werden. Deshalb bleibt uns nur übrig dieses Experiment erst einmal durchzuführen."

Hier siehst du eine Darstellung der Ergebnisse der Elektro-Wellen-Simulation der modernen Tesla-Freunde. Die elektrischen Feldstärken zwischen Erde und Ionosphäre rund um den Globus sind auf einer Farbskala dargestellt, mit dem Tesla-Turm im Zentrum der roten Region.

In der Simulation verteilt sich die elektrische Ladung als stehende Welle über den Globus und kann überall angezapft werden. Bild oben und rechts oben: Leonid Plekhaniv | Mit freundlicher Genehmigung des Urhebers

Und zu meiner Nachfrage nach der Gefährlichkeit des Tesla-Turms erklärt Leonid, dass „zwischen Erde und Atmosphäre ohnehin eine Spannung von etwa 300.000 Volt herrscht und deshalb permanent ein kleiner Strom durch alles Lebende fliesst." Die Anlage füge lediglich eine unmerklich kleine Spannung hinzu, sodass nirgends eine Gefahr bestehe.

Die FAQ-Seite des Global Energy Transmission Projekt quillt nur so von voreilender Verteidigung über. Es scheint, dass die Gebrüder sich jeder Menge Kritik, von naiven Nicht-Physikern wie auch von Fachkollegen ausgesetzt sehen. Aber zumindest darin, dass nur Experimente uns fundiertes Wissen über die Natur unserer Welt verschaffen kann, stimme ich mit Leonid und Sergey überein.

Schon vor 100 Jahren dürften Teslas potentielle Geldgeber kopfschüttelnd vor den Auswirkungen und Mechanismen des Experiments gestanden haben. Auch wenn sicher heute längst nicht alle die Prozesse des Tesla-Turms verstehen, so besteht inzwischen immerhin die Möglichkeit das finanzielle Risiko genauso auf der Welt zu verteilen, wie die uns versprochenen stehenden, globalen Wellen.